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Interview: Bündnis gegen Rechts Coburg

Veröffentlicht am 06.08.2010 in AntiFa/Migration

Als Gründungsmitglied engagieren sich die Jusos aus dem Raum Coburg im lokalen "Bündnis gegen Rechts". Der Kreisvorsitzende der Jusos Coburg-Land, Sebastian Geiger, sprach nun mit der Redaktion des Coburger Tageblatts über den Kampf gegen Rechts.

Coburger Tageblatt: Herr Geiger, wer gehört zum Coburger „Bündnis gegen Rechts“?
Sebastian Geiger: Organisationen wie die Jusos, der Stadtverband der SPD, IG Metall, Kinderschutzbund, die Grünen, und und und. Ausdrücklich auch Cara (Coburger Aktionsbündnis gegen rechtsradikale Aktivitäten, die Red.) und verschiedene Einzelpersonen, die sich einbringen.

Wie sind Sie selbst dazu gekommen?
Der Juso-Kreisverband Coburg-Land wurde damals angesprochen, ob wir nicht Interesse an einem Bündnis hätten. Der Kampf gegen Rechts ist für uns schon immer eine sehr wichtige Aufgabe, und deshalb war die Beteiligung für uns gar keine Frage.

Und Ihre persönliche Motivation?
Ich bin damals auch wegen dem Kampf gegen Rechtsextremismus zu den Jusos und zur SPD gegangen. Das war immer eine meiner Herzensangelegenheiten. Ich hatte zwar selbst – bis auf kleine Zwischenfälle – noch kaum körperliche Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten, aber nichtsdestotrotz gilt es diese menschenverachtende Ideologie zu bekämpfen.

Was ist denn „rechts“? Wo ziehen Sie die Grenze?
Das ist ein großer Bereich, der sehr vielschichtig ist. Es gibt den Rassismus, die Fremdenfeindlichkeit an sich, und es gibt den Rechtskonservatismus, der für mich zwar auch „rechts“ ist, sich aber klar von den beiden anderen unterscheidet. Man darf nicht alles in einen Topf werfen, sondern muss aufklären. Meiner Meinung nach ist das Gefährliche an der rechten Ideologie nicht das, was ganz rechts außen steht. Diese Personen sind in der Bevölkerung relativ isoliert. Gefährlich ist auch das rechte Gedankengut, das man an den Stammtischen, eben in der Mitte der Bevölkerung findet.

Ist eine Organisation wie der Coburger Convent (CC) für Sie auch „rechts“?
Der CC ist mit Sicherheit keine linke, keine progressive Organisation. Man muss aber bei den Einzelpersonen immer wieder unterscheiden, ob es wirklich Nazis oder rechtskonservative Kräfte sind. Beide Kreise stimmen jedoch auf keinen Fall mit den Intentionen der Jusos überein. Man muss sich mit dem CC auseinandersetzen. Es ist nur die Frage, wie man es macht.

Sie warnen vor Aufklebern, Sie warnen vor der Coburger Runde. Rechtfertigen solche Vorfälle es, dass man gleich ein Bündnis dagegen gründet?
Unsere Intention war, nicht erst zu reagieren, wenn der Nazi-Aufmarsch vor der Tür steht, sondern Aufklärungsarbeit zu leisten – auch gegen die rechten Tendenzen in der normalen Gesellschaft, am Arbeitsplatz, am Stammtisch und so weiter. Dass wir auch in Coburg rechte Tendenzen haben, zeigen diese Vorfälle. Es sind zwar keine Nazi-Aufmärsche wie am 1. Mai in Schweinfurt, aber Ansätze, die es zu bekämpfen gilt.

Wo die Rechten merken, sie stoßen auf Widerstand, werden sie erst recht aktiv. In Bamberg drohen sie unverhohlen, sich jedes Jahr in die Konzerthalle einzuklagen. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Bündnis gegen Rechts die Probleme verstärkt, die man bekämpfen will?
Das Problem ist ja da, ob die jetzt in Bamberg, Schweinfurt oder Coburg sind, und ob sie in die Öffentlichkeit drängen oder mehr im Untergrund agieren. Unser Bündnis wird nicht dazu führen, dass jemand, der vorher nie rechts war, jetzt rechts wird, weil er sich davon Aufmerksamkeit erhofft. Die Personen, die da agieren, sind schon entsprechend eingestellt. Sollten sie auf Coburg aufmerksam werden, ist das Bündnis schon da und kann reagieren. Ich war zum Beispiel am Wochenende in Hildburghausen. Dort hat ebenfalls ein Bündnis die Aktion gegen den Rechten-Aufmarsch gemanagt. Wo es keine Bündnisse gibt, kaufen die Nazis einfach ein Gebäude, und keiner kriegt’s mit, so wie neulich im Landkreis Hof.

Wertet man mit den Gegenaktionen das „Freie Netz Süd“ oder die Kameradschaften nicht eher auf?
Sie erhalten zwar mehr Aufmerksamkeit, aber auch die Bevölkerung wird darin geschult, hinzuschauen. Vor allem das „Freie Netz Süd“ widmet sich immer mehr der so genannten sozialen Frage, und hier bekommen sie auch Zustimmung. So fordern sie zum Beispiel einen Mindestlohn, wie es Sozialdemokraten und Gewerkschaften tun. Auch die Bevölkerung ist überwiegend dafür. Außerdem denken viele: „frei“ bin ich auch, in „Süd“- Deutschland wohne ich auch – was ist daran so schlecht? Deshalb muss man die Leute darauf aufmerksam machen, über die neuen Formen des Rechtsextremismus aufklären.

Aber wie wollen Sie den Leuten klarmachen: „Wenn wir den Mindestlohn fordern, ist es richtig, wenn die da ihn fordern, ist es falsch“?
Die soziale Frage wird von den Rechten anders beantwortet. Sie suchen sich eine sogenannte Außengruppe, der sie die Schuld an nahezu allen Problemen geben. Das können „die Ausländer“ sein oder das „jüdische Weltkapital“, wie es beispielsweise das Freie Netz Süd behauptet. Die linken Kräfte gehen anders an die soziale Frage heran: Wie können wir ein gutes Leben für alle verwirklichen? Eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, das sind unsere Ansatzpunkte. Die Rechten machen eine Außengruppe verantwortlich.

Argumentieren nicht auch die Linken mit den Kapitalisten, die die Globalisierung vorantreiben, ausbeuten und so weiter?
Unsere Kritik richtet sich gegen den Kapitalismus, also das System an sich, aber nicht gegen einzelne Personengruppen, die angeblich dafür verantwortlich sind. Uns ist es zum Beispiel egal, ob ein Mensch christlich, muslimisch oder jüdisch ist.

Mathias Brodkorb, Begründer des Nazi- Verspotter-Labels „Storch Heinar“ sagte in einem Interview, man solle sich nicht von Nazis die Agenda diktieren lassen. nennen sich „Bündnis gegen Rechts“, definieren sich also zunächst negativ. Wo ist denn bei Ihnen das Positive?
Unser Bündnis gibt es erst seit Ende vergangenen Jahres. Wir haben lange diskutiert, wie wir uns nennen sollen. Dadurch, dass wir sehr heterogen strukturiert sind, war dies relativ schwierig. Jeder definiert zum Beispiel den Begriff „Toleranz“ anders. Ich zum Beispiel will nicht tolerant gegenüber den Rechten sein. Deshalb haben wir uns Bündnis gegen Rechts genannt, weil es den Inhalt trifft und keine Interpretationsspielräume lässt. Dass wir natürlich agieren wollen, zeigt sich dadurch, dass wir nicht auf den Nazi-Aufmarsch warten, sondern Aufklärungsarbeit leisten.

„Storch Heinar“ oder die „Apfelfront“ nehmen die Nazis auf die Schippe. Auch Mathias Brodkorb wirbt für neue Aktionsformen: Die Rechte mobilisiert ja nicht mit Auschwitz, sondern sie wirbt mit Freizeit, Kultur, sozialen Themen. Womit halten Sie gegen?
Zunächst zur Apfelfront: Das ist eine gute Ergänzung zur klassischen Bündnisarbeit, aber man muss natürlich auch weiterhin informieren. Sonst läuft man Gefahr, dass man sich nur noch über die rechte Ideologie lustig macht, und das wird der Sache nicht gerecht. „Storch Heinar“ oder die Apfelfront können breitere Bevölkerungsschichten ansprechen mit ihrer Form der Arbeit gegen rechts - aber die klassische Information ersetzt das nicht. Freizeitaktivitäten für junge Leute bieten wir im Bündnis noch nicht an, aber bei den Jusos: Sommerfest, Bildungsfahrten – im Winter nach Gotha. Also Unterhaltung, dass man mal raus kommt, das findet man bei uns auch. Da muss man nicht zu den Rechten gehen.

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Kommentare

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Extremismusbegriff - Teil 2

Deshalb halten wir auch an der Bezeichnung "Rechtsextremismus" fest - auch wenn wir uns bewusst sind, dass in "wissenschaftlichen Debatten" andere Begriffe notwendig sind. Solidarische Grüße Sebastian Geiger

Autor: Sebastian Geiger, Datum: 06.08.2010, 12:31 Uhr


Extremismusbegriff - Teil 1

Hey! vielen Dank für deinen Kommentar! Ich kenne die Problematik um den Extremismusbegriff. Auf der Landeskonferenz der Jusos Bayern haben wir auch beschlossen, dass der Extremismusbegriff nicht geeignet ist, um politische Einteilungen zu treffen. Diese Meinung teile ich. Jedoch hat sich der Begriff Rechtsextremismus im allgemeinen Sprachgebrauch zum Synonym für Rassismus, Antisemitismus, Homophobie usw. entwickelt. Die Ideologie des Rechtsextremismus wird vom Großteil der Bevölkerung abgelehnt - mit Homophobie, Xenophobie etc. können aber die Wenigsten etwas anfangen. Wir sollten, so meine Überzeugung, nicht auf diesen Begriff verzichten, da wir ansonsten den Nazis (usw.) entgegenkommen, indem wir auf ein allgemein bekanntes Schlagwort verzichten. Der so genannte "Linksextremismus" besitzt jedoch keine allgemeingültige Definition, wenn er im Alltag verwenden wird. Die Frage wie denn der "Linksextremismus" geprägt ist, wird meist gar nicht oder nur unzureichend beantwortet.

Autor: Sebastian Geiger, Datum: 06.08.2010, 12:30 Uhr


Problem Extremismusbegriff

Ein wirklich ziemlich gelungenes Interview. Aber leider ist das Problembewusstsein bzgl. des Extremismusbegriffs bei vielen Linken immernochnicht angekommen. Deshalb eine Textempfehlung: http://inex.blogsport.de/offener-brief-gegen-jeden-extremismusbegriff/

Autor: Nizu, Datum: 06.08.2010, 10:48 Uhr