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Neuwahlen beim SPD-Bezirk Oberfranken: SPD sieht Zukunftsthesen als Skandal

Veröffentlicht am 31.05.2011 in Landespolitik

Die Vorschläge des Zukunftsrates gegen Oberfranken und die Stärken der Region beherrschen den Bezirksparteitag in Marktredwitz. Die Delegierten bestätigen Anette Kramme als Vorsitzende. "Oberfranken hat Potenzial", so das Fazit des stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Ewald Schurer, der das Impulsreferat hielt.

FOTO: Die wiedergewählte Vorsitzende Anette Kramme mit ihren Stellvertretern (von links) Ulrich Scharfenberg , Dr. Carl-Christian Dressel, Jonas Merzbacher und Simon Moritz . Fotos: Hannes Bessermann, Frankenpost

Marktredwitz - Sie wirkt vital, gibt sich kämpferisch und motiviert die "Genossinnen und Genossen" zum Aufbruch: "Vitalität", ruft Anette Kramme aus, "ist etwas, was die SPD Oberfranken jetzt dringend braucht!" Und unter dem Beifall der Delegierten prangert die Vorsitzende der oberfränkischen SPD am Wochenende beim Bezirksparteitag in Marktredwitz vor allem die Schmach an, die der bayerische Zukunftsrat ihrer Heimatregion zugefügt habe.

"München ist Bayern"

"Die Vorschläge, die dieses Gremium für die Landesentwicklung gemacht hat, sind ein Skandal", wettert Kramme. Man könne es nicht hinnehmen, dass Regionen, die ohnehin schon unter der demografischen Entwicklung zu leiden hätten, noch weiter abgehängt würden. Die Empfehlungen des Zukunftsrates, nur die Großstädte als Leistungszentren im Freistaat zu fördern und den Rest des Landes - wie zum Beispiel Oberfranken - als Erholungsraum auszuweisen, sei gleichzusetzen mit der These: "München ist Bayern."

Die 43 Jahre alte arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, die sich als oberfränkische SPD-Chefin zum zweiten Mal seit 2007 zur Wiederwahl stellt und in ihrem Amt bestätigt wird - mit 68 von 80 Delegierten-Stimmen -, übt zunächst Selbstkritik, was die Lage ihrer Partei anbelangt. Die jüngsten Vorhersagen, wonach die SPD auf 28 Prozent kommen würde, wenn morgen Wahlen wären, gäben Anlass zur Zuversicht. Auch die jüngsten Wahlergebnisse in Hamburg, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nährten Hoffnung. "Doch wir können damit nur eingeschränkt zufrieden sein als Volkspartei", sagt Kramme. Und dann zählt sie die Fehler auf, die die SPD gemacht habe und die zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust der Partei bei den Wählern geführt hätten. "Die Hartz-IV-Reform und die Anhebung des Rentenalters auf 67 waren nicht gut. Und wir haben die Basis überrumpelt auf Parteitagen. Das muss anders werden", betont sie und nennt Ansätze zur Lösung diverser Gesetze und Probleme: Eine Rente mit 67 dürfe es nur dann geben, wenn für ältere Menschen auch die realistische Chance bestehe, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bekommen. Das treffe bisher nur auf 23 Prozent der älteren Arbeitnehmer zu.

Dann zieht Kramme gegen die politischen Gegner vom Leder. Die FDP sei zu einer Steuersenkungspartei verkommen, sagt sie. Von Sozialem sei dort nichts zu spüren. Die Gesundheitsreform des gewesenen Gesundheitsministers Philipp Rösler sei nichts anderes als "ein Systemwechsel hin zu einer Drei-Klassen-Medizin". Die Grünen hätten bei den jüngsten Wahlen von der Apokalypse in Japan profitiert und müssten jetzt in Baden-Württemberg beweisen, "wie es ist, wenn man tatsächlich regiert und Industrie- und Umweltpolitik miteinander verbinden muss". Und im Lager der CDU/CSU habe Karl-Theodor zu Guttenberg in der Bundeswehr ein Chaos hinterlassen.

Die Bundeskanzlerin lässt sie ebenfalls nicht ungeschoren, als sie auf die Wende in der Energiepolitik zu sprechen kommt. "Wir kämpfen bereits seit 1986 für den Ausstieg aus der Atomenergie", gibt die SPD-Politikerin zu bedenken. Nach der Drohung der Atomwirtschaft auf 100 Millionen Euro Schadenersatz habe die Kanzlerin den anvisierten Kompromiss kaputtgemacht und die Laufzeiten wieder verlängert. Nach dem erneuten Schwenk weg von der Atomenergie attestiert Kramme der Kanzlerin "ein Tempo beim Meinungsumschwung wie Seehofer".

Mit dem Satz: "Die CSU hat sich viel geleistet in jüngster Zeit" leitet Anette Kramme die Beschreibung der politischen Lage für Oberfranken ein. Dabei kritisiert sie den Plan, Oberfranken einen Stimmkreis wegzunehmen und "völlig unstrukturiert" die Stimmkreise Kulmbach und Wunsiedel zusammenzulegen ebenso wie die Vorschläge des Zukunftsrates. "Oberfranken hat tolle Firmen, hat Weltmarktführer und gehört zu den Regionen mit der höchsten Industriedichte Europas", ruft Kramme aus. "Wir sind kein bloßer Erholungsraum. Wir benötigen ein schnelleres Internet auf dem flachen Land. Wir brauchen mehr finanzielle Mittel bei der Lösung unserer Probleme!"

In die gleiche Kerbe schlägt der stellvertretende Landesvorsitzende der SPD, Ewald Schurer, der den Delegierten in einem Referat seine Sicht zu "Oberfranken und Europa" darlegt. Oberfranken sei als Industrieregion führend in Europa und von der frühen Industrialisierung bis in die Gegenwart ein wichtiger Teil der europäischen Wertschöpfungskette.

"Beschämend, desaströs"

Die Kompetenz der Region in der Logistik lasse sich ideal verknüpfen mit den Chancen, die sich durch erneuerbare Energien ergäben. Oberfranken könne mit Selbstbewusstsein Fördergelder und Strukturmaßnahmen einfordern, sagt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Landesgruppe Bayern, der die Vorschläge des Zukunftsrates als "beschämend und desaströs" bezeichnet. Einschlägige Analysen hätten gezeigt, dass in Regionen, in die staatliche Gelder von Bund, Ländern und EU fließen, in der Regel auch private Investitionen der Wirtschaft folgen. "Oberfranken hat Potenzial und eine gute Zukunft", ruft der Gastredner aus. "Wenn die Landespolitik die Weichen richtig stellt."

Zwei Neue im Vorstand

Bei der Neuwahl des Vorstands im SPD-Bezirksverband Oberfranken gab es einen Wechsel auf zwei Positionen: Simon Moritz (27), SPD-Stadtratsmitglied in Kulmbach, rückte für Claus Stenglein als neuer stellvertretender Vorsitzender in das Gremium ein. Franziska Bartl (26), Studentin aus Coburg, folgt Carlo Stauch aus Kronach als Schriftführerin nach. Folgende Vorstandsmitglieder erhielten das Vertrauen der Delegierten: Vorsitzende Anette Kramme, (MdB, Rechtsanwältin, Heinersreuth im Landkreis Bayreuth); als stellvertretende Vorsitzende fungieren weiterhin Dr. Carl-Christian Dressel (Hochschullehrer, Coburg), Jonas Merzbacher (Bürgermeister, Gundelsheim bei Bamberg) und Ulrich Scharfenberg (Berufsbetreuer, Rehau). Schatzmeisterin ist weiterhin Evelyn Farnlacher (Kauffrau i. R., Gesees).


Den Bericht von TV Oberfranken zum Bezirksparteitag:

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